Bundesverfassungsgericht: Sukzessivadoption einfach erklärt

aktualisiert am 27.2.2013, mit herzlichem Dank an
Rechtsanwältin Dr. Rita Coenen für den Hinweis,
dass die neue Regelung ab sofort gilt!

Das Bundesverfassungsgericht hat heute (19. Februar 2013) verkündet:

“Der Ausschluss der Sukzessivadoption durch eingetragene Lebenspartner verletzt den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG)”.

Die Ungleichbehandlung verletzt also das Grundgesetz und ist damit verfassungswidrig. Die Sukzessivadoption muss auch für Paare erlaubt sein, die eine Lebenspartnerschaft eingegangen sind, also für verpartnerte lesbische Paare oder verpartnerte schwule Paare.

Was ändert sich?

Wenn eine Partnerin Kinder adoptiert hat, darf ihre eingetragene Lebenspartnerin sie später auch adoptieren. Das gleiche gilt natürlich auch für verpartnerte Männerpaare. Der Fachbegriff dafür ist Sukzessivadoption, weil die Adoption nicht gleichzeitig, sondern nacheinander, schrittweise (“sukzessiv”) erfolgt. Bisher war die Sukzessivadoption für (lesbische und schwule) Paare in eingetragener Lebenspartnerschaft nicht erlaubt, sondern nur für (heterosexuelle) Ehepaare.

Was ändert sich nicht?

Die so genannte Stiefkindadoption ändert sich nicht: Demnach darf ein leibliches Kind von der eingetragenen Lebenspartnerin oder dem eingetragenen Lebenspartner adoptiert werden.

Ebenfalls (noch) keine Änderung gibt es bei der gemeinsamen Adoption von Kindern: Diese bleibt weiterhin heterosexuellen Ehepaaren vorbehalten.

Zu guter Letzt: Für heterosexuelle Ehepaare ändert sich auch nichts. Sie dürfen nach wie vor Kinder sukzessiv oder gemeinsam adoptieren.

Wann geht’s los? Sofort! 

Bis zum 30. Juni 2014 haben Bundestag und Bundesrat Zeit, das Adoptionsrecht entsprechend zu ändern. Allerdings ist eine Sukzessivadoption sofort möglich, damit “unzumutbare Nachteile” vermieden werden, entschied das Gericht.

Wie geht’s weiter?

Der nächste – und längst überfällige – Schritt muss die völlige Gleichstellung sein. Es darf keine Kinder erster und zweiter Klasse geben – und auch keine Erwachsenen.

Was sagt der LSVD dazu? 

Manfred Bruns, Sprecher des LSVD-Bundesverbands:

“Der Lesben- und Schwulenverband begrüßt das positive Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Das Urteil stärkt die Rechte von Kindern in gleichgeschlechtlichen Familien. Nun können adoptierte Kinder in Regenbogenfamilien endlich den Kindern in heterosexuellen Familien gleich gestellt werden.Für Kinder in Regenbogenfamilien bedeutet die Entscheidung zusätzliche Rechtssicherheit, sowie verdoppelte Anrechte auf Unterhalt und Erbe. “

Link zur Pressemitteilung “Kinder in gleichgeschlechtlichen Familien gestärkt”, 19.2.2013

Was sagt die Anwältin der Klägerinnen dazu? 

Dr. Rita Coenen, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Familien- und Sozialrecht:

“Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber eine Frist bis zum 30. Juni 2014 für eine Neuregelung gesetzt. Allerdings ordnete das Gericht zusätzlich an, dass eine Sukzessivadoption für eingetragene Lebenspartner ab sofort möglich ist aufgrund der ansonsten eintretenden „unzumutbaren Nachteile“! Das von uns erstrittene Urteil ist eine wegweisende Entscheidung, mit der „sog. Regenbogenfamilien“ gestärkt (Familien bei denen Kinder bei zwei gleichgeschlechtlichen Partnern leben) werden, ein weiterer wichtiger Schritt zur Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Paare.”

Link zur Mitteilung “Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde! Zwei Mütter streiten für die gemeinsame Elternschaft” von Dr. Rita Coenen, 20.02.2012

Ausführlich weiterlesen:

  • Hintergrundinformationen zum Adoptionsrecht für Lesben und Schwule auf der Seite unseres Bundesverbandes, lsvd.de
  •  Pressemitteilung Nr. 9/2013 des Bundesverfassungsgerichts vom 19.2.2013, “Nichtzulassung der Sukzessivadoption durch eingetragene Lebenspartner ist verfassungswidrig”
  • Urteil des Bundesverfassungsgerichts BVerfG, 1 BvL 1/11 vom 19.2.2013, Absatz-Nr. (1 – 110), http://www.bverfg.de/entscheidungen/ls20130219_1bvl000111.html