SPD-Fachgespräch „Folgen von Diskriminierung“

Bericht vom SPD-Fachgespräch „Folgen von Diskriminierung“ am 23. Oktober 2012 im Landeshaus Kiel

Ganz allein auf der Welt – auch das ist gefühlte Lebenswirklichkeit vieler lesbischer, schwuler, bisexueller und transidenter Jugendlicher. Nicht zuletzt die Politik kann dazu beitragen, dass sich ihre Selbstwahrnehmung und ihre Lebensrealität verändert.

Die schleswig-holsteinischen Schwusos und die SPD Landtagsfraktion Schleswig-Holstein hatten für Dienstag, den 23. Oktober von 18.30 Uhr bis 20.30 Uhr zu einem Fachgespräch zu den Folgen von Diskriminierung an Lesben und Schwulen eingeladen. Es fand im Kieler Landeshaus statt. Unsere Sprecherin nahm für den LSVD Schleswig-Holstein als Expertin an der offenen Diskussionsrunde teil. Neben dem LSVD waren bei der Veranstaltung die schleswig-holsteinischen Schwusos, HAKI aus Kiel und Na Sowas aus Lübeck vertreten.

Moderiert wurde der Abend von der Abgeordneten Simone Lange, Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion Schleswig-Holstein für Gleichstellungsfragen. Sie wurde unterstützt vom sozialpolitischen Sprecher der Fraktion, Wolfgang Baasch.

Impulsreferat „Homosexualität und Suizidalität“

Lesben, Schwule und Transidente haben oft Erfahrung mit Diskriminierung, Mobbing oder Gewalt. Im Extremfall kann das dazu führen, dass die Betroffenen an Suizid denken oder gar ihrem Leben ein Ende setzen.

„Homosexualität und Suizidalität“ war der Titel des Referats von Prof. Dr. MA Klaus Junghanns, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie. Dr. Junghanns fragte zuerst nach einem Zusammenhang zwischen Homosexualität und psychischen Störungen, die zur Suizidalität führen könnten. Sein erstes Ergebnis war, dass auch Menschen ohne Depression(en) suizidal sein können. Einen Zusammenhang zwischen Homosexualität und Suizidalität konnte er nicht feststellen, allerdings gibt es Studien (z.B. NESARC,USA 2004-2005, De Graaf et al., Niederlande 2006, Fergusson et al. 1999, Christchurch Health and Development Study, Neuseeland, Frisell et al., Schweden 2010, King et al. 2008), die darauf hindeuten, dass Homosexualität zu einem erhöhten Risiko für psychiatrische Störungen führen kann.

Allerdings wurde bei den Forschungen zum einen nicht nach Heterosexualität bzw. Homosexualität gefragt. Der Focus lag auf psychiatrischen Störungen. Weibliche und männliche Homosexuelle wurden getrennt befragt, allerdings Bisexuelle nicht. Die Vergleichbarkeit der Studien ist schwierig. Das liegt unter anderem daran, dass beispielsweise Frauen, die sich zu Frauen, die sich zu Frauen hingezogen fühlen, es selbstverständlich finden, sich als lesbisch zu bezeichnen. Männer, die sich zu Männern hingezogen fühlen, begreifen sich selbst oft nicht als schwul. So kam es dazu, dass bei allen vorgestellten Studien der Anteil der lesbischen Frauen doppelt so hoch war wie der der schwulen Männer. Eine Zahl, die, verglichen mit dem realen Leben, überrascht: Immerhin sind schwule Männer in Medien und Öffentlichkeit viel präsenter als lesbische Frauen.

Eine Frage der Selbstwahrnehmung

Schwerpunkt des Abends war die Frage, wie die Selbstwahrnehmung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transidenten verbessert werden kann.

Moderatorin Simone Lange warf die Frage auf, wie sie als Politikerin konkret helfen könne. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Diskussion hatten aus ihrer Lebenspraxis und ihrem ehrenamtlichen Engagement eine ganze Reihe konstruktiver Vorschläge beizusteuern. Ein wichtiger Aspekt ist die Sensibilisierung in der außerschulischen Jugendarbeit. Hier könnte die Politik darauf hinwirken, dass Träger der Jugendarbeit sich zum Beispiel in Zielvereinbarungen verpflichten, dieses Thema aufzugreifen. In und außerhalb der Schule fehlt es immer noch an lesbisch, schwulen, bisexuellen und transidenten (LSBT) Themen. Jugendliche brauchen in der Phase ihres Coming Outs ganz besonders die Erkenntnis, dass sie normal, präsent, wertgeschätzt und angenommen sind. Lesbische, schwule, bisexuelle und transidente Jugendliche denken nämlich nach wie vor, sie seien die/der einzige auf der ganzen Welt. Auch der hohe Promi-Faktor, von Außenminister Guido Westerwelle und Tatort-Kommissarin Ulrike Folkerts bis zu Schauspieler Dirk Bach und Spitzensportlerin Imke Duplitzer, ändern daran nichts.

Projekte stärken – Präsenz zeigen

Die Stärkung der bestehenden Projekte in Schleswig-Holstein lag allen Anwesenden am Herzen. Der Sozialpolitiker Wolfgang Baasch fragte, welche Unterstützung von der Landesregierung kommen könne und wurde prompt mit Vorschlägen überhäuft: Eine landesweite Plakataktion, wie sie derzeit in Nordrhein-Westfalen von der Regierung gefördert wird, wünschten sich die Anwesenden. Gefordert wurden auch Zuschüsse für gut laufende Initiativen der Ehrenamtlichen, z.B. für das erfolgreiche Schulprojekt der HAKI. Die Schwusos plädierten für mehr Offenheit im ganzen Land, so dass es egal ist, welch sexuelle Orientierung ein Mensch hat.  Das Aufklärungsprojekt NaSowas wünscht sich Unterstützung dabei, wieder Ansprechpartner für und um Lübeck zu werden.

Einig waren sich alle Anwesenden darin, dass ein Blick beispielsweise nach Nordrhein-Westfahlen lohnt. Der dort kürzlich gestartete „Aktionsplan für Gleichstellung und Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt – gegen Homo- und Transphobie“ mit über 100 Einzelmaßnahmen würde auch Schleswig-Holstein zur Ehre gereichen. Die Abgeordneten der SPD-Landtagsfraktion plädierten ihrerseits für  mehr Sensibilisierungsarbeit. Auch hier gibt es ein Vorbild: KomBi (Kommunikation und Bildung) aus Berlin, zusammen geschlossen im Fortbildungsprojekt „queerformat.de“ bieten über neue Rollenvorbilder in Schulbüchern über die türkische Jugendliche im Coming Out bis hin zu modernen Identitätspolitiken ein breites Spektrum.

An Themen mangelt es der SPD also nicht, wenn sie künftig einen stärkeren Fokus auf die Gleichstellung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transidenten richten will. Bleibt zu hoffen, dass aus der politischen Absicht handfeste Alltagsrealität wird.

LINKS

  • SPD-Landtagsfraktion Schleswig-Holstein, spd.ltsh.de
  • LSVD Schleswig-Holstein, schleswig-holstein.lsvd.de
  • Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen: Aktionsplan Homo- und Trasphobie, mgepa.nrw.de
  • HAKI e.V. lesbisch-schwule Emanzipationsarbeit in Schleswig-Holstein, haki-sh.de
  • NaSowas, Informations- und Beratungsstelle für schwule, lesbische, bisexuelle und transidente Jugendliche und Interessierte aus Schleswig-Holstein, nasowas.org
  • Schwusos Schleswig-Holstein, Arbeitsgemeinschaft Lesben & Schwule in der SPD, spd-net-sh.de/schwusos/