Schleswig-Holstein vor der Wahl

Vielfalt zwischen den Meeren

Schleswig-Holstein ist ein weltoffenes Land. 17 Jahre roter und rot-grüner Regierungen haben bis 2005 einiges bewegt und die Veränderungen in Folge des Lebenspartnerschaftsgesetzes haben den Norden erreicht. Zu den nächsten Landtagswahlen am 6. Mai 2012 wird der LSVD natürlich konkrete Forderungen an die Parteien formulieren, ebenso wie andere Vereine und Verbände.

Rechtliche Gleichstellung kann nicht alles sein – ebenso wie Gleichstellung von Frauen und Männern nicht 1918/1919 mit dem Frauenwahlrecht erreicht war, wie Menschenwürde für marginalisierte Gruppen auch nach Inkrafttreten des Grundgesetzes 1949 immer wieder neu erkämpft werden muss, so ist für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans- und Intersexuelle (LGBTI) gesellschaftliche Gleichstellung immer eine Frage des Alltags. Tatsächlich gibt es den einen offensichtlichen Graben nicht oder nicht mehr, der das Einstehen für die Rechte von LGBTI Personen – eher links – und das Festhalten an angeblich traditionellen heterosexuellen Lebensweisen – eher rechts – trennt. Deutlich wird das beim Blick über die Grenzen.

Bürgerliche Umarmung

Den Weg von der rechtlichen Gleichstellung zur gesellschaftlichen Normalität gehen auch andere Länder, und dort mitnichten immer linke Regierungen.

Der konservative britische Premierminister zeigte sich erst im September 2011 froh über das Institut der Lebenspartnerschaft, und forderte, „ … die Dinge weiter zu verändern, um Gleichstellung zu gewährleisten.”

In Schweden wurde die Lebenspartnerschaft vor zwei Jahren zur Ehe erweitert – mit stillschweigendem Einverständnis der Konservativen, die durch ihre Freigabe der Abstimmung im schwedischen Reichstag gleich beide Flügel bedienten: neoliberale Eheöffner ebenso wie konservative Heterozentristen. Lesben und Schwule wurden bei diesen politischen Ränkeschmieden durchaus schon mal zur politischen Manövriermasse.

Spanien ließ seinerzeit das Institut der Lebenspartnerschaft sogar ganz aus und stieg sofort in die Öffnung der Ehe ein – mit dem Vorteil, nur eine Protestwelle von katholischer Seite zu haben statt zwei und der Folge, dass es für Lesben und Schwule noch schwerer geworden ist, Diskriminierung klar zu benennen.

nicht von allein

Interessenvertretung funktioniert nicht allein dadurch, dass Leute im Parlament und in der Verwaltung dafür einstehen. Es geht auch darum, für die eigenen Interessen wieder mehr Verantwortung zu übernehmen. Da wird  es um Mitsprache und Mitbestimmung gehen, um Gerechtigkeit und gleiche Rechte, um Partizipation, um Einbeziehung und um die Sichtbarkeit der eigenen Positionen. Es wird um Forderungen gehen, die mit Alltag, mit Gerechtigkeit, mit Würde, mit Normalität, mit Akzeptanz, mit Respekt zu tun haben.

Aus der Position einer marginalisierten Randgruppe zu sprechen und zu protestieren, reicht nicht mehr. So schwer es vielleicht fallen mag: Mit der aktiven Bürgerrechtsarbeit, die der LSVD seit seinem Bestehen betrieben hat, sind wir ebenso in der Mitte der Gesellschaft angekommen wie andere Menschen auch, manche mehr und manche weniger. Es wird Zeit, dass man das auch merkt.

Politische Forderungen für Schleswig-Holstein

Schleswig-Holstein hat das Lebenspartnerschaftsrecht umgesetzt, in Sachen Rentenversicherung, Beamtenrecht und alle möglichen anderen gesetzlichen und juristischen Errungenschaften. Woran es noch fehlt, ist vielerorts die Selbstverständlichkeit, lesbisch zu sein. Oder schwul, bisexuell, transsexuell, intersexuell. Queer. Es fehlen auch handfeste Realitäten für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans- und Intersexuelle:

  • Die Bürgerbeauftragte sollte Beratung und Unterstützung bei Diskriminierungen wegen der sexuellen Orientierung, der sexuellen Identität oder der Geschlechterrolle stolz und öffentlich als Aufgabenbereich definieren.
  • Bei der Polizei sind verantwortliche und sichtbare Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner notwendig.
  • Schleswig-Holstein soll sich endlich gemeinsam mit anderen Bundesländern im Bundesrat entschieden für eine Öffnung der Ehe stark machen und damit zeigen: ähnlich reicht nicht!
  • Ministerinnen und Minister, Landtagspräsidenten, Fraktionsvorsitzende sollten sich offensiv dazu bekennen, für die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans- und Intersexuellen einzustehen.
  • Diskriminierung, Mobbing und Gewalt wegen der sexuellen Orientierung oder wegen des gelebten Geschlechts müssen konsequent geächtet werden, auch in der Schule.
  • Es ist höchste Zeit, dass die von allen Parteien im Konsens getragene Auffassung „Familie ist da, wo Kinder sind“ auch für Regenbogenfamilien Alltag wird.
  • Im Zusammenspiel von Land und Kommunen müssen die Rechte und Interessen von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans- und Intersexuellen beachtet werden, wenn es um Verantwortlichkeiten geht – von der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen über Familienförderung bis zur Wirtschaftssubvention.

Die Forderungen an die Politik werden wieder politischer und sie machen deutlich: Randgruppe war gestern und gleiche Rechte sind ein Thema für jeden Tag.

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