Landtag: Anhörung “Künstliche Befruchtung ermöglichen”

Im Landtag findet zurzeit eine schriftliche Anhörung zum Thema „künstliche Befruchtung“ statt. Die Fraktion DIE LINKE hatte einen Antrag „Künstliche Befruchtung ermöglichen“ gestellt. Darin fordern sie die Landesregierung auf, eine Bundesratsinitiative für eine Änderung von § 27a des SGB V sowie zur hierdurch erforderlichen Erhöhung des Bundeszuschusses für die gesetzliche Krankenversicherung zu ergreifen. Außerdem fordern sie die Rücknahme gekürzter Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung bei künstlichen Befruchtungen, die Einbeziehung eingetragener Lebenspartnerschaften und den Verzicht auf eine strikte Altersbegrenzung für Paare, die Reproduktionsleistungen in Anspruch nehmen.

Dieser Antrag wurde dann vom gesamten Landtag „ohne Aussprache“ an den Fachausschuss überwiesen. In diesem Fall ist das der Sozialausschuss. Im Sozialausschuss des Landtags sind – wie in allen anderen Fachausschüssen auch – Abgeordnete aus allen Fraktionen vertreten, und zwar so, dass die gleichen Mehrheitsverhältnisse herrschen wir im gesamten Landtag. Der Sozialausschuss hat darüber beraten, wie mit dem Antrag weiter verfahren werden soll. Die Abgeordneten haben sich auf eine „schriftliche Anhörung“ verständigt. Schriftliche Anhörung bedeutet: Jede Fraktion schlägt Institutionen vor, die eine fachliche Stellungnahme dazu abgeben, und zwar schriftlich. Uns, den LSVD Landesverband Schleswig-Holstein, hat die Fraktion DIE LINKE vorgeschlagen. Zum Thema „künstliche Befruchtung“ haben wir als LSVD natürlich einiges zu sagen!

Unsere Stellungnahme ist vollständig unter der Umdruck-Nr. 17/3246 im Landtagsinformationssystem Schleswig-Holstein nachzulesen. Wir haben geschrieben:

Der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland hat sich in den letzten Jahren intensiv mit dem Thema Reproduktion befasst. Regenbogenfamilien, also Familien mit schwulen Vätern oder lesbischen Müttern, rücken als eine von vielen Familienformen immer mehr in den Fokus. Aus Sicht unseres Verbandes steht das Wohl der Kinder dabei unbedingt im Mittelpunkt.

Spätestens seit der vom Bundesministerium der Justiz in Auftrag gegebenen Studie „Die Lebenssituation von Kindern in gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften“, die das Staatsinstitut für Familienforschung an der Universität Bamberg im Jahr 2009 veröffentlicht hat, ist bekannt, dass Kinder in Familien mit gleichgeschlechtlichen Eltern ebenso guten und positiven Rückhalt erfahren, ebenso gut beschützt und unterstützt werden, ebenso gut erzogen sind wie in Familien, in denen die Eltern unterschiedlichen Geschlechts sind.  Das bedeutet leider bislang nicht, dass Familien mit zwei Müttern oder zwei Vätern die gleichen Rechte und Chancen haben wie andere Familien. Neben dem immer noch ausstehenden vollen Adoptionsrecht sind Einschränkungen bei der künstlichen Befruchtung für lesbische Frauen eine Diskriminierung, die nicht zuletzt auf die Kinder negative Auswirkungen hat.

In unserer täglichen Praxis als Verband erleben wir, wie benachteiligt lesbische Frauen sind, die Kinder wollen. Ihr Weg zum Kind wird von weitaus größeren rechtlichen Hürden behindert als der Weg heterosexueller Frauen, die aus anderen Gründen innerhalb ihrer Partnerschaft nicht schwanger werden. Für das Selbstwertgefühl lesbischer Frauen ist das eine deutliche Zurückweisung, die deutlich signalisiert, dass sie vor dem Gesetz in Deutschland bei weitem noch nicht gleichgestellt sind.

Der LSVD setzt sich dafür ein, dass lesbische Frauen vollen Zugang zu künstlicher Befruchtung haben. Das betrifft Frauen, die ihre Familie ganz neu planen ebenso wie Frauen, die bereits Kinder haben und ihre Familie vergrößern wollen. Auch die Kostenübernahmen durch die gesetzliche Krankenversicherung sollten für lesbische Paare in gleicher Weise geregelt werden wie für heterosexuelle Paare. Die Verunsicherung der Bürgerinnen durch verwirrende Richtlinien sollte beendet werden. Wir möchten an dieser Stelle auch den Wunsch äußern, dass die Landesärztekammer Schleswig-Holstein klar benennt, dass die assistierte Reproduktion erlaubt ist.

In Bezug auf den Antrag der Fraktion DIE LINKE regen wir an, dass zusätzlich zu den aufgeführten Rechtsvorschriften auch § 27a Abs. 1 Nr. 4 SGB V geändert wird, da lesbische Paare nicht in der Lage sein werden, für eine Befruchtung „ausschließlich Ei- und Samenzellen der Ehegatten“ zur Verfügung zu stellen.

Seit vielen Jahren besteht im Schleswig-Holsteinischen Landtag ein breiter Konsens darüber, dass Familie dort ist, wo Kinder sind. Bitte lassen Sie diesen Konsens in Ihren konkreten politischen Entscheidungen Wirklichkeit werden.

Noch bis zum 9. Dezember sind Stellungnahmen von anderen Verbänden und Fachleuten eingegangen und Anfang Januar wird der Sozialausschuss über das Thema beraten. Bei den Mehrheitsverhältnissen im Landtag ist aber wohl leider mit einer Ablehnung zu rechnen!

Links und Quellen:

  • Antrag der Fraktion DIE LINKE “Künstliche Befruchtung ermöglichen”, Landtagsdrucksache 17/1863
  • Vorschläge für Anzuhörende, FDP-Fraktion, Landtagsumdruck 17/2958
  • Vorschläge für Anzuhörende, SSW-Fraktion, Landtagsumdruck 17/2994
  • Vorschläge für Anzuhörende, CDU-Fraktion, Landtagsumdruck 17/3018
  • Vorschläge für Anzuhörende, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Landtagsumdruck 17/3019
  • Vorschläge für Anzuhörende, Fraktion DIE LINKE, , Landtagsumdruck 17/3021
  • Vorschläge für Anzuhörende, SPD-Fraktion, , Landtagsumdruck 17/3025
  • Stellungnahme der Techniker Krankenkasse, Landtagsumdruck 17/3126
  • Stellungnahme des LSVD Schleswig-Holstein, Landtagsumdruck 17/3246
  • Stellungnahme der AOK Nordwest, Landtagsumdruck 17/3272
  • Stellungnahme des Verbands der Ersatzkassen vdek, Landtagsumdruck 17/3273
  • Stellungnahme von Pro Familia, Landtagsumdruck 17/3347
  • Stellungnahme des UKSH, Sektion für gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin, Landtagsumdruck 17/3377