Vielfalt von Lebens- und Liebesweisen in der Schule

Der Lesben- und Schwulenverband Schleswig-Holstein e.V. setzt sich dafür ein, dass Kinder schon früh ein positives und akzeptierendes Selbstbild entwickeln können. Dazu gehört die Sicherheit, „in Ordnung“ zu sein, dazu gehört Akzeptanz von „anders“ sein und Kenntnis vielfältiger Lebens- und Liebesweisen.

Kinder verbringen einen großen Teil ihrer Zeit in der Schule. Schulen sollten daher Orte sein, an denen Kinder sich glücklich und sicher fühlen. Dies ist jedoch nicht immer der Fall. Anders sein, verschieden sein, ist auch nach Jahrzehnten der Diskussion um Vielfalt noch kein schulisches Ideal.

Der Lesben- und Schwulenverband Schleswig-Holstein e.V. fordert:

  • Orte der Vielfalt:
    Schulen sollen Orte sein, an denen die Vielfalt der Lebens- und Liebesweisen Raum erhält. Förderung der Akzeptanz von Lesben, Schwulen und Transgender beinhaltet den Abbau von Vorurteilen und Stereotypen. Dies wird ergänzt um eine Botschaft von Gleichwertigkeit unterschiedlicher zwischenmenschlicher Beziehungen.
  • Stärkung des Selbstwertgefühls:
    Jedes Kind kann und darf selbst entscheiden, wie es sich kleidet, womit es spielt, mit wem es befreundet ist und wen und was es mag. Jedes Kind kann und darf auch selbst entscheiden, was sich gut und richtig anfühlt – und was nicht.
  • Akzeptanz von Unterschiedlichkeit:
    Ein Schulklima, in dem viele unterschiedliche Lebensmodelle und Identitäten akzeptiert werden und selbstverständlich sind. Es ist nicht in Ordnung, ein Kind oder einen erwachsenen Menschen wegen der Kleidung, eines Hobbys, der Familie oder aus persönlichen Gründen zu ärgern oder sich über sie oder ihn lustig zu machen.
  • Sicherheit in der eigenen Biografie:
    Kinder müssen in der Schule sicher sein, dass sie angstfrei von ihren Familien erzählen können. Menschen sind unterschiedlich. Es gibt vielfältige Familienformen. Wichtig ist, dass die Kinder in der Familie geliebt und wertgeschätzt werden.
  • keine Beleidigungen für Identitäten:
    „Schwul“ oder „lesbisch“ sind keine Schimpfwörter. Schulen sollen dafür Sorge tragen, dass sie auch nicht als Schimpfwörter benutzt werden.
  • deutliche Absage an Mobbing:
    Schulen haben die Aufgabe, konkrete Handlungsanregungen für Umgang mit Mobbingsituationen zu bieten. Kinder brauchen Unterstützung, um sich gegen Mobbing zu wehren, um bei Mobbing an anderen einzuschreiten und um nicht selbst andere Kinder zu mobben.
  • Verfassungsrang für sexuelle Identität:
    Sexuelle Identität muss in Artikel 3 des Grundgesetzes aufgenommen werden, damit Benachteiligung auch durch unsere Verfassung verboten ist.

Der Lesben- und Schwulenverband Schleswig-Holstein e.V. hat dem Ministerium für Soziales, Gesundheit, Wissenschaft und Gleichstellung vorgeschlagen, ein Präventionsprojekt für Grundschulen zu entwickeln. Es ist Bestandteil des Aktionsplans für Akzeptanz vielfältiger sexueller Identitäten des Landes Schleswig-Holstein (Aktionsplan “Echte Vielfalt”).

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Heute ist Diskriminierung noch ein Problem an Schulen. Sie betrifft Kinder, die bestimmte Geschlechtsrollenerwartungen nicht erfüllen. Sie betrifft auch Kinder aus Regenbogenfamilien. Und schließlich betrifft sie Schülerinnen und Schüler, die für „lesbisch“ oder „schwul“ gehalten werden. Im Übrigen auch dann, wenn den Kindern überhaupt nicht klar ist, was diese Begriffe bedeuten.

Erst 2012 hat eine Berliner Studie deutlich gemacht, dass homophobe Beschimpfungen, Diskriminierung und Mobbing auch bei Sechstklässler/innen weit verbreitet sind: [1]

  • 62% der Kinder haben mitbekommen, wie „schwul“ oder „Schwuchtel“ und 42%, wie „Lesbe“ als Schimpfwort verwendet wurde.
  • 49% der Kinder haben Mobbing mitbekommen, weil jemand für lesbisch oder schwul gehalten wurde.
  • 60% der Kinder haben Mobbing mitbekommen, über einen Jungen, der sich nicht „männlich genug“ verhalten hat, 51% über ein Mädchen, das sich nicht „weiblich genug“ verhalten hat. Verschiedenheit erfuhr kaum explizit positive Bewertungen durch Lehrkräfte oder durch andere Schülerinnen und Schüler.

Wenngleich „Schule der Vielfalt“ schon seit den 1990er Jahren ein Begriff ist, hat dies nicht automatisch dazu geführt, dass Schulen vielfältige Lebens- und Liebesweisen wertschätzen. So weist auch der Bericht der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (2013) noch homophobe Äußerungen an Schulen als einen Beschwerdegrund, die bei den Beratungsstellen eingingen, aus.[2]

In der 2009 von Dr. Marina Rupp vorgelegten Studie „Die Lebenssituation von Kindern in gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften“, erstellt im Auftrag des Bundesministeriums der Justiz, wird deutlich, dass Kinder aus Regenbogenfamilien zwar familiär stark gefördert werden. In ihrem  Umfeld machen sie jedoch herabsetzende Erfahrungen.

So berichtete knapp die Hälfte der befragten Kinder von diskriminierenden Erlebnissen. Die meisten dieser Handlungen erfolgten durch gleichaltrige Kinder oder Jugendliche. Dabei waren Beschimpfungen besonders häufig; Androhung körperlicher Gewalt, Beschädigung des Eigentums des Kindes oder reale Gewaltanwendung traten – nach Kenntnis der Eltern – seltener auf. Die Vorfälle fanden in aller Regel im Schul-Umfeld statt, wobei einige Kinder diese Erfahrungen auch schon in der Kita gemacht hatten. Ein Viertel der berichteten Vorfälle fand im Beisein von Erwachsenen statt, die das Kind nur selten unterstützten. Stattdessen gaben die Erwachsenen vor, die Handlungen nicht zu bemerken, sahen zu, verweigerten Unterstützung oder beteiligten sich gar selbst daran. Jede dritte Regenbogenfamilie berichtete von Verhaltensunsicherheiten seitens des pädagogischen Personals und in jeder sechsten Schule oder Kita waren gleichgeschlechtliche Lebensweisen oder Regenbogenfamilien kein Thema. [3]

Der Lesben- und Schwulenverband Schleswig-Holstein e.V. hat 2014 eine Reihe von Maßnahmen im Rahmen des Aktionsplans für Akzeptanz vielfältiger sexueller Identitäten des Landes Schleswig-Holstein (Aktionsplan “Echte Vielfalt”) entwickelt. Alle Maßnahmen werden in Kooperation mit dem Ministerium für Soziales, Gesundheit, Wissenschaft und Gleichstellung durchgeführt.

Als ein Teil des Aktionsplans ist es gemeinsames Ziel, einfache und verständliche Unterrichtsmaterialien zu erstellen, die Lehrkräften bei Bedarf helfen können, das Thema Akzeptanz und Vielfalt kindgerecht zu vermitteln. Dieser Prozess ist noch in Arbeit, bislang gab es keine solchen Unterrichtsmaterialien, sondern lediglich Entwürfe, die noch nicht abgestimmt waren. Wann der Prozess abgeschlossen ist, steht noch nicht fest.

[1] Vgl. Dr. Ulrich Klocke: Akzeptanz sexueller Vielfalt an Berliner Schulen. Eine Befragung zu Verhalten, Einstellungen und Wissen zu LSBT und deren Einflussvariablen, Berlin: 2012, https://www.psychologie.hu-berlin.de/prof/org/download/klocke2012_1

[2] Vgl.: Antidiskriminierungsstelle des Bundes: Diskriminierung im Bildungsbereich und im Arbeitsleben, 2013, http://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/Downloads/DE/publikationen/BT_Bericht/Gemeinsamer_Bericht_zweiter_2013.pdf?__blob=publicationFile

[3] Vgl.: Dr. Martina Rupp (Hrsg.): Die Lebenssituation von Kindern in gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften, Köln: Bundesanzeiger-Verl.-Ges.., 2009; das zusammenfassende Kapitel der Studie ist im Internet verfügbar: http://www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/pdfs/Forschungsbericht_Die_Lebenssituation_von_Kindern_in_gleichgeschlechtlichen_Lebenspartnerschaften.pdf?__blob=publicationFile

Kontakt:
Lesben- und Schwulenverband Schleswig-Holstein e.V. (LSVD) 

Links:

  • PETZE-Institut für Gewaltprävention gGmbH
  • Echte Vielfalt: Aktionsplan für Akzeptanz vielfältiger sexueller Identitäten des Landes Schleswig-Holstein

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